Steiermark, Diözese Graz-Seckau; gegründet 1163 von Markgraf Otakar III., 1940 beschlagnahmt, 1945 wiedererrichtet
Die Augustiner-Chorherren sind keine Mönche sondern „Regularkanoniker“. Das hat einerseits damit zu tun, dass sie eine Priestergemeinschaft sind, die gegenüber einer Mönchsgemeinschaft mit vielen Laienbrüdern privilegiert war. Zum anderen wird hier die Verwandtschaft der Chorherren mit den Domherren sichtbar. Die korrekte Anrede für die Mitbrüder ist daher auch nicht „Pater“ oder „Bruder“ sondern „Herr“. Die „Stiftsherren“ widmen sich in ihrer primären Aufgabe dem seelsorglichen Dienst nach außen, während ein Mönchskloster versucht, einen mehr oder weniger abgeschlossenen Lebensraum zu bilden. Die bei den Augustiner-Chorherren von Herzogenburg verwendete Ordensabkürzung, die häufig dem Namen nachgestellt wird, lautet „Can. Reg.“ – ausgeschrieben „Canonicus Regularis“.
Geschichte der Augustiner-Chorherren
Die Augustiner-Chorherren bezeichnen Augustinus als Ihren Ordensvater. Ordensgründer ist er jedoch nicht. Nach dem Tod des Augustinus während der Belagerung von Hippo Regius durch die Vandalen im Jahr 430 und dem anschließenden Untergang des von ihm gegründeten Klosters geriet auch seine Ordensregel etwas in Vergessenheit. Den Vätern des sich entwickelnden christlichen Ordenslebens, allen voran dem Hl. Benedikt, war jedoch die Augustinusregel wohl bekannt – und er verwendete sie auch als eine Grundlage seiner Ordensregel.
Die Anfänge des Ordens
Mit der Gründung des Klosters Cluny im Jahr 910 wurde eine neue Ära der Ordensgeschichte eingeleitet. Der weltliche Gründer (Graf Wilhelm von Aquitanien) verzichtete auf sein Eigenkirchenrecht und unterstellte das Kloster direkt dem Papst. Dieser revolutionäre Schritt ist einer der Auslöser für jene Auseinandersetzungen, die man später „Investiturstreit“ nennen wird. Dieser Reformbewegung schlossen sich sehr viele Klöster an, was im Jahr 1059 Papst Nikolaus II. zur Abhaltung einer Fastensynode bewegte, die sich vor allem mit einer drängenden Kirchenreform beschäftigen sollte. Diese Synode, später Lateransynode genannt, ist als Geburtsstunde des Ordens der Augustiner-Chorherren anzusehen.
Für die Anliegen der Kirchenreform (Beseitigung des Eigenkirchenwesens und der Priesterehe) erwiesen sich die Regularkanoniker als geeignete Pioniere. Da sie damals prinzipiell dem Diözesanbischof unterstanden, wurde durch die Einführung der Augustinusregel das Eigenkirchensystem der Landesherren entmachtet. Eine Grundtendenz ist zu erkennen: Schon die Lateransynode 1059 legt den Kanonikern die Pfarrseelsorge nahe.
So wurde auch der große Förderer der Kirchenreform nördlich der Alpen, Bischof Altmann von Passau, zum Förderer des Chorherrenordens. Da er mit den Reformplänen in seiner Diözese auf Widerstand stieß, gründete er vor den Toren Passaus das Stift St. Nikola, welches als Vorbild zu bestehen hatte. Sodann reformierte er die Eigenklöster des Bistums Passau, St. Pölten und St. Florian, indem er die Augustinusregel einführte. Ganz im Osten wagte er gar eine Neugründung: Göttweig.
Diese Aktionen fanden ihre Beständigkeit in der Person des Bischofs Altmann, denn die Augustinusregel an sich hatte weder endgültige Fixierung erfahren noch waren irgendwelche ergänzende Statuten erlassen worden: Die Norm wurde von Bischof Altmann gegeben. So ist es auch nicht verwunderlich, dass nach seinem Tod die meisten Klostergründungen in eine schwere Krise gerieten.
Allein das Kloster Rottenbuch (Bayern) überstand den Tod des Bischofs ohne Schaden. Als päpstliches Eigenkloster konnte dieses Stift die Augustinusregel halten.
Der Salzburger Reformkreis
Der Ruf von Stift Rottenbuch breitete sich rasch über ganz Deutschland aus, im Investiturstreit wurde es zum Haupt der päpstlichen Eigenklöster. Nun ist im Orden eine Spaltung in zwei Teile zu beobachten: Der eine Teil im oberen Deutschland richtete sich stark monastisch-spirituell aus, der andere Teil stellte das pastorale Wirken der Regularkanoniker in den Vordergrund. Das Zentrum war das Salzburger Domkapitel, nachdem Erzbischof Konrad I. einen kühnen Schritt gewagt hatte: Er führte in seinem Domkapitel die Augustinusregel ein. Damit belebte er die Tradition der Bischofsklöster wieder, die seit Augustinus nur mehr in Ansätzen realisiert worden war. Erzbischof Konrad erneuerte auch die Chorherrenklöster, die sich seit dem Tod von Bischof Altmann im Niedergang befunden haben, unter anderem auch Reichersberg. In diesem Stift entwickelte der Propst revolutionäre Ideen: Gerhoch von Reichersberg wollte den ganzen Klerus der Kirche unter die Augustinusregel stellen und zu Kanonikern umwandeln. Doch diese Idee erwies sich als undurchführbar, nicht zuletzt wegen der Reformunlust vieler Weltgeistlicher.
Protestantismus und Gegenreformation
Martin Luther und seine Nachfolger lehnten das Klosterwesen vollständig ab. Die Klöster waren auf die Gunst der Landesherren angewiesen: Cuius regio – eius religio. Zwar war in Österreich das Kaiserhaus immer katholisch, jedoch die Landbevölkerung lehnte den Katholizismus ab, was zwangsläufig Auswirkungen auf den Ordensnachwuchs hatte. Das ging vielen Klöstern an die Substanz, die Konvente wurden kleiner und nicht wenige mussten aufgelöst werden. Die Landesfürsten sahen das mit großer Sorge, waren die Klöster doch oft gute Verbündete und auch Geldquellen in Zeiten der Not. Erst mit Kaiser Rudolf II. trat wieder ein großer Gegenreformator auf: Er erneuerte die Konvente und begüterte die enteigneten Klöster aufs Neue.
Aufklärung und jüngere Zeit
Allgemein hat der Josephinismus riesige Einschnitte in die Klosterlandschaft bewirkt. Getrieben vom Geist der Aufklärung wurden ab 1782 alle Klöster aufgehoben, die keiner „nützlichen“ Tätigkeit wie Seelsorge, Unterricht oder Krankenpflege nachgingen.
Das 19. Jahrhundert war geprägt von politischer Ruhe für die Kirche: Das Konkordat von 1855 und die Regentschaft von Franz Josef I. brachte der Kirche ein gutes Arbeitsklima.
Im Nationalsozialismus kamen auf die Stifte Repressalien ungeahnten Ausmaßes zu. So wurde St. Florian enteignet, der Reichsrundfunk war im Stiftsgebäude untergebracht. Klosterneuburg und Vorau wurden aufgehoben. Neustift wurde in die Wirren der Südtirol-Frage hineingezogen. Lediglich Herzogenburg und Reichersberg konnten einigermaßen glimpflich davonkommen.
Heutige Struktur
Die Augustiner-Chorherren sind prinzipiell subsidiär organisiert, das heißt: Jedes Kloster ist für sich selbstständig. An der Spitze steht ein von den Mitbrüdern des jeweiligen Hauses gewählter Propst. Sein Stellvertreter ist der „Stiftsdechant“, der (anders als der „Prior“ bei den Benediktinern) nicht vom Propst ernannt, sondern ebenfalls von den Mitbrüdern gewählt wird. Die Mitbrüder verfügen über das sogenannte „kapitulare Recht“, das heißt: Die Vollversammlung der Mitbrüder des Hauses („Kapitel“) muss in alle grundlegenden Entscheidungen eingebunden werden.
Die Pröpste der österreichischen Kongregation sind „infuliert“, das heißt: Sie sind berechtigt, Mitra und Stab, die Insignien der höheren Leitungsvollmacht in der Kirche, zu tragen.
Die sechs österreichischen Pröpste wählen aus ihrer Reihe den Generalabt, der einen Ehren- und Repräsentationsvorsitz ausübt. Er leitet die Visitation der einzelnen Klöster und vertritt die Interessen des Ordens nach außen.
Alle Chorherrengemeinschaften der ganzen Welt sind in einer Konföderation zusammengefasst. Der Abtprimas steht dieser Vereinigung vor. Ihm kommt die Aufgabe zu, die Kontakte innerhalb des Ordens zu fördern und nach außen hin als Repräsentant zu wirken.
Die österreichische Kongregation der Augustiner-Chorherren
Der Orden der Augustiner-Chorherren verbreitete sich ab dem 12. Jh. rasant: Allein im deutschsprachigen Raum wurden insgesamt an die 150 Klöster gegründet. Die Geschichte vieler Häuser endet in der Reformation, im bayerischen Raum mit der Säkularisation und in Österreich durch die Kirchenreform Kaiser Josephs II. Aufgehobene Chorherrenstifte auf heutigem österreichischen Boden sind z.B.: Dürnstein in der Wachau, St. Andrä an der Traisen, St. Pölten, Waldhausen im Strudengau, Suben, Ranshofen, St. Dorothea in Wien oder auch Pöllau in der Steiermark.
Im allgemeinen Aufschwung des katholischen Ordenslebens in Österreich an der Schwelle zum 20. Jh. fanden die sechs bestehenden Chorherrenstifte Österreichs zur Idee eines föderalen Zusammenschlusses, der „Kongregation der österreichischen Augustiner-Chorherren“. Dieser wurde 1907 gegründet und brachte den Stiften das gegenseitige Visitationsrecht (das vorher vom Bischof ausgeübt wurde) sowie die vollständige Exemtion (die Unabhängigkeit vom Diözesanbischof in allen inneren Belangen). Das Zusammenleben wird seither von den „Konstitutionen der österreichichen Augustiner-Chorherren“ geregelt, während jedes Haus für seine inneren Belange in der Hausordnung eigene Normen festlegt. Der Kongregation gehören alle sechs österreichischen Chorherrenstifte an. Neben dem Stift Herzogenburg sind das:
Stift Vorau
Stift Neustift
Südtirol, Diözese Bozen-Brixen; 1142 gegründet durch den seligen Bischof Hartmann von Brixen sowie Reginbert von Säben; 1807 aufgehoben, 1816 wiedererrichtet
Stift Klosterneuburg
Niederösterreich, Erzdiözese Wien; gegründet im Jahr 1114 durch den hl. Markgraf Leopold III.; aufgehoben 1941, wiedererrichtet 1945
Stift St. Florian
Oberösterreich, Diözese Linz; 1071 durch Bischof Altmann von Passau aus mit Augustiner-Chorherren besetzt; 1941 Vertreibung der Chorherren, 1945 Wiedererrichtung
Stift Reichersberg
Oberösterreich, Diözese Linz; gegründet 1084 durch den Edlen Wernher von Reichersberg
Weitere Informationen finden Sie auf www.augustiner-chorherren.at.
Weltweite Konföderation
Anders als z.B. der Jesuitenorden, sind die Chorherren von Grund auf föderalistisch organisiert. Das heißt: Es gibt keinen Überbau, der zentral und von oben herab ein wie immer geartetes Durchgriffsrecht besitzt. Die einzelnen Häuser sind selbständig. Aufgrund ihrer Geschichte waren die Chorherrenstifte auch lange Zeit dem jeweiligen Diözesanbischof unterstellt – so ist es erklärbar, dass erst Mitte des 20. Jh. ein weltweiter Zusammenschluss geschaffen wird, welcher jedoch selbstverständlich vom Föderalismus geprägt ist. Der Nutzen der Konföderation besteht vor allem in einer angemessenen Repräsentanz des Ordens in Rom. Der Vorsitzende der Konföderation ist der sogenannte „Abtprimas“ – das ist einer der Generaläbte der Kongregationen. Dieser Vorsitz wird nach einem mehr oder weniger strengen Rotationsprinzip auf sechs Jahre gewählt.
Zur Zeit gehören unter anderem folgende Kongregationen der Konföderation an:
- Augustiner-Chorherren der österreichischen Kongregation
- Lateranensische Chorherren vom heiligsten Erlöser
- Brüder vom gemeinsamen Leben
- Windesheimer Kongregation
- Congrégation des Chanoines du Grand-Saint-Bernard
- Kongregation von St. Maurice de Agaunum
- Congregation of the Immaculate Conceptio
- Chanoines réguliers de Marie Mère du Rédempteur
- Chanoines réguliers de Saint-Victor